Nur etwa ein Viertel aller Deutschen haben ihren Nachlass per Testament oder Erbvertrag geregelt – eine verschwindend geringe Zahl.
Verstirbt ein Familienangehöriger oder auch enger Freund und hinterlässt kein Testament oder anderweitige Aufzeichnungen über seine Nachlassregelung beginnt „der Kampf“ ums Erbe. Die Hinterbliebenen treffen aufgrund von Überforderung falsche Entscheidungen und entfachen so die unsäglichen Erbstreitigkeiten, mit denen unsere Gerichte zuhauf beschäftigt sind.
In unserer kleinen Abhandlung beschäftigen wir uns mit einigen sehr wichtigen Themen, die bei der Erstellung eines Testamentes zu beachten sind und auch beim Antritt eines Erbes Berücksichtigung finden müssen. Es sind
– die gesetzliche Erbfolge
– das Ehegatten Erbrecht
– der Pflichtteil
– die Testamentseröffnung
– die Erbausschlagung
– die Enterbung
Die gesetzliche Erbfolge
Bei der gesetzlichen Erbfolge, die in den meisten Fällen zum Tragen kommt da kein rechtsgültiges Testament vorliegt, kommt es auf die verwandtschaftliche Stellung der einzelnen Familienmitglieder an. Dazu hat der Gesetzgeber diese in sogenannten Ordnungen eingeteilt, nach denen ein Erbe angetreten werden kann. Die Ordnungen reichen von sehr nahen Verwandten bis hin zu weit entfernen Verwandten. Hier die einzelnen Ordnungen:
- Ordnung
Direkte Abkömmlinge des Erblassers =
Kinder, Enkelkinder, Urenkel
Adoptiv- und uneheliche Kinder
- Ordnung
Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge =
Eltern, Brüder/Schwestern, Nichten/Neffen
- Ordnung
Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
- Ordnung
Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
Verstirbt eine Person, so prüft man hinsichtlich der gesetzlichen Erbfolge zunächst, ob sie Kinder hatte. Ist dies der Fall, so erben die Kinder zu gleichen Teilen. Ist ein Kind bereits verstorben, treten die Enkelkinder an dessen Stelle. Hatte der Verstorbene jedoch keine eigenen Kinder, so tritt die zweite Ordnung ein. Zunächst erben die Eltern. Sofern diese nicht mehr am Leben sind, sind die Brüder und Schwestern erbberechtigt. Dieses System wird solange weiter fortgeführt, bis ein berechtigter Erbe gefunden ist. Alle nachrangigen Ordnungen gehen dann leer aus.
Nicht erbberechtigt sind verschwägerte Personen, Stiefkinder und Pflegekinder, da zwischen ihnen und dem Verstorbenen keine verwandtschaftliche Beziehung bestanden hat. Kann kein gesetzlicher Erbe bestimmt werden und es liegt kein Testament vor, so geht das Erbe an das Bundesland, in dem der Verstorbene seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ist selbst dieser nicht feststellbar, erbt der Deutsche Bund den gesamten Nachlass.
Der Pflichtteil = Eine Garantie für bestimmte Erben
Im Falle des Vorliegens eines Testamentes, in dem der Erblasser sein gesamtes Vermögen einer bestimmten Person hinterlässt, kann damit die gesetzliche Erbfolge nicht ausgehebelt werden.
Bestimmte Personen, sofern sie erbberechtigt sind, haben einen Anspruch auf den Pflichtteil aus dem Erbe. Hierzu gehören
– leibliche und adoptierte Kinder
– der Ehegatte bzw. der eingetragene Lebenspartner
Andere Abkömmlinge, z.B. Enkel, können nur in Sonderfällen einen Pflichtteil beanspruchen.
Die Höhe des Pflichtteils bestimmt sich nach der Höhe die das zu erwartende Erbe gehabt hätte, d. h. ganz konkret: Sie kann die Hälfte des fiktiven Erbteils als Pflichtanteil beanspruchen. Hier ein Beispiel zur Berechnung des Pflichtteils:
Hinterlässt ein verwitweter Erblasser 3 Kinder, so könnten diese das Erbe zu 3 gleichen Teilen beanspruchen.
Vermacht dieser jedoch einem Kind testamentarisch sein gesamtes Vermögen, so können die 2 verbliebenen Kinder ihren Pflichtteil in Höhe der Hälfte ihres eigentlichen Erbanteils verlangen.
In diesem Beispiel betrüge der Pflichtteil je ein Sechstel des Vermögens, so dass der eingesetzte „Alleinerbe“ immerhin noch zwei Drittel des Vermögens erhalten würde.
Nachstehend dazu einmal eine kleine Berechnung zur Veranschaulichung:
Vererbtes Vermögen = 900.000,00 €
Bei 3 Kindern je ein Drittel = 300.000,00 € je Kind
Ein Kind als Alleinerbe erhielte theoretisch 900.000,00 €
Der Pflichtteil für die anderen beiden Kinder beträgt hier je Kind 150.000,00 €
Verbleiben für das als Alleinerbe eingesetzte Kind 600.000,00 €
Das Anrecht auf den Erhalt eines Pflichtteils kann allerdings unter besonderen Umständen entfallen. Dies ist der Fall, wenn der Erbe dem Erblasser, seinem Ehepartner, den Kindern oder anderen nahestehenden Personen nach dem Leben trachtet oder an diesen ein anderes Verbrechen begangen hat. Auch wenn ein Erbe der Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser nicht nachgekommen ist, kommt ein Entzug der Pflichtteilsberechtigung in Betracht.
Speziell für Ehepartner – Das Ehegatten-Erbrecht
Der Ehepartner nimmt in der gesetzlichen Erbfolge eine Sonderstellung ein. Zwischen dem Ehepartner und dem Erblasser bestand keine verwandtschaftliche Beziehung.
Damit eine Erbberechtigung besteht, muss zum Zeitpunkt des Todes die Ehe bestanden haben und es darf keine Scheidung eingereicht sein.
Der eheliche Hausrat und Hochzeitsgeschenke gehen unabhängig vom übrigen Erbe immer an den Ehepartner des Verstorbenen.
Sind Erben der ersten Ordnung vorhanden, so muss sich der Ehegatte mit 25 % des Nachlasses zufriedengeben. Der Rest wird unter den Erben verteilt.
Gibt es nur noch Erben der zweiten Ordnung, steigt der Teil des überlebenden Ehegatten auf 50 %.
In allen anderen Fällen erbt der Ehegatte komplett.
Dies alles gilt, wenn die Eheleute in Gütergemeinschaft gelebt haben. Wurde zu Beginn der Ehe der Stand der Gütertrennung oder der Zugewinngemeinschaft vereinbart, greifen abweichende Regelungen, die ein höheres Erbe vorsehen.
Die Testamentseröffnung
Der letzte Wille des Verstorbenen wird vom Nachlassgericht erfüllt. Dieses ist dafür zuständig. Man findet es bei den entsprechenden, örtlich zuständigen Amtsgerichten.
Das Testament ist nach dem Tod des Erblassers unverzüglich beim zuständigen Nachlassgericht abzugeben. Hierfür ist derjenige zuständig, der nach dem Tod des Erblassers im Besitz eines Testaments oder Erbvertrages ist oder ein solches Dokument findet.
Im Vorfeld versuchten die Richter herauszufinden, wer als gesetzlicher Erbe in Betracht kommt. Es findet dann eine Nachlassverhandlung statt, im Rahmen derer die Testamentseröffnung stattfindet. Dazu wird jeder eingeladen, der als Erbe in Frage kommt. So auch der Testamentsvollstrecker und natürlich alle vermeintlich Erbberechtigten. Das Ergebnis der Nachlassverhandlung wird den Erben im Nachgang durch die Eröffnungsurkunde schriftlich mitgeteilt.
Wurde im Testament ein Testamentsvollstrecker bestimmt, so wird dieser durch das Nachlassgericht ernannt. Häufig wird so vorgegangen, wenn Streitigkeiten über das Erbe zu erwarten sind, wenn der Nachlass sehr hoch ist, wenn es mehrere Erben gibt oder komplizierte Teilungsanordnungen mit Auflagen vorliegen.
Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, die im Testament geforderten Auflagen dem Wortlaut des Erblassers entsprechend zu erfüllen. Hierzu gehört es auch, dass nur er den Nachlass in Besitz nehmen und verwalten darf, bis die Erbschaftsverhältnisse endgültig geklärt sind.
Wurde kein Testamentsvollstrecker bestimmt, so müssen die Erben beim Nachlassgericht einen Erbschein beantragen. Durch diesen erhalten Sie das Recht, den Nachlass in Besitz zu nehmen.
Erbausschlagung aufgrund von Schulden des Erblassers
Innerhalb von 6 Wochen ab Kenntnisnahme der Erbschaft hat jeder Erbe die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen.
Für eine Erbausschlagung gibt es mannigfache Gründe:
Überschuldung des Erblassers
Zerwürfnis mit dem Erblasser zu Lebzeiten
Zerwürfnis mit den Miterben
usw.
Eine Erbausschlagung kann nicht auf einzelne Teile des Erbes beschränkt werden. Es gilt der Grundsatz:
Ganz oder gar nicht!!!
Schlägt ein berechtigter Erbe seinen Anteil aus, so wird die Erbfolge so betrachtet, als hätte er zum Todeszeitpunkt des Erblassers nicht gelebt.
Dazu ein Beispiel:
Der Erblasser hinterlässt zwei leibliche Kinder, die jeweils ebenfalls zwei Kinder haben.
Würden beide Kinder des Erblassers das Erbe annehmen, erhielten sie je die Hälfte des Vermögens.
Schlägt hingegen einer der leiblichen Kinder das Erbe aus, erhält das andere leibliche Kind die ihm zustehende Hälfte des Erbes.
Die ausgeschlagene Hälfte des Erbes wird unter den Kindern des ausschlagenden Erben aufgeteilt.
Komplizierter als man denkt – Die Enterbung
Eine Enterbung ist rechtlich gar nicht so einfach durchzuführen. Natürlich gibt es Sonderfälle, wie beispielsweise die Absicht des Erben, den Erblasser zu ermorden. Dazu muss der Erblasser natürlich von Plänen Kenntnis erlangen.
Natürlich steht es dem Erblasser frei, wen er als Erben einsetzt. Die Erben können auch außerhalb der eigenen Familie bestimmt werden.
Allerdings – sollten die eigenen Familienmitglieder ausgegrenzt werden – haben diese dann immer noch Anspruch auf einen Pflichtteil. Die Pflichtteilsregelung kann nicht ohne triftigen Grund ausgehebelt werden.
Um das Risiko einer Testamentsanfechtung zu minimieren, sollten im Testament keinerlei Gründe für die Enterbung angegeben werden. Falls der Enterbte Hinweise darauf sammeln kann, dass ein Irrtum des Erblassers vorgelegen hat, kann er das Testament anfechten und auf seinen Erbanteil pochen.
Da die Themen Erbschaft und Erbrecht sehr komplex sind, empfiehlt es sich, bei Unsicherheiten einen Notar oder Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Die hier dargestellten Angaben erfolgen ohne Gewähr und ohne den Anspruch auf Vollständigkeit.
Quelle: Hannoversche Lebensversicherung AG